Zum 25. April



Bestehet in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, und lasst euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen. - Gal. 5, 1

Viele auch aufrichtige Christen kennen das eigentliche Wesen des geistlichen Lebens noch so wenig, dass sie diese Ermahnung nicht für so wichtig ansehen, sondern meinen, der Apostel lege dadurch nur eine besonders zärtliche Fürsorge um den Frieden und das Wohlbefinden der Galater an den Tag. Sie verstehen nicht, dass ihr geistliches Leben in Gefahr schwebt, wenn das Gewissen in das knechtische Joch des Gesetzes gezogen und gefangen wird. Möchte Gott sie doch alle aus ihrem Irrtum aufwecken! Der Apostel macht diese Ermahnung überaus wichtig. — Wenn du die Freiheit des Gewissens verlierst und unter das Gesetz gefangen wirst, so dass du anfängst, in deinen eigenen Werken deine Gerechtigkeit zu suchen oder Leben und Heiligung vom Gesetz zu erwarten, „wirfst du die Gnade Gottes weg“. Dann bist du „der Magd Sohn“, der nach seinem Dienst hinausgestoßen werden soll.
Unsere Natur neigt durch die Selbstvergötterung, mit der die Schlange im Sündenfall den Menschen erfüllte, so stark zu der Selbstgerechtigkeit in geistlichen Dingen, dass nichts der Vernunft so töricht und dem Herzen so tötend ist wie die Annahme, dass wir zu gar nichts Gutem fähig sein, sondern als ganz Verlorene alles aus Gnade und als Gabe durch Christus haben sollen. Darum müsste doch ein jeder verstehen, dass die Gefahr, unter das Gesetz gefangen zu werden, nicht so gering ist, wie die Unkundigen meinen. — Dazu kommt, dass unser Feind, der Teufel, wohl weiß, dass er bei allem, was er uns tun kann, doch nichts Wesentliches gewonnen hat, solange wir noch im Glauben, in der Freistatt Christus beharren. Er weiß, dass wir erst dann des Todes sind, wenn es ihm gelingt, uns von der Liebe Christi zu eigener Arbeit unter dem knechtischen Joch und in den Unglauben zu führen, so dass das Leben im Sohne Gottes aufhört. Ja, dann sind wir des Todes, wenn wir auch den schönsten Wandel behalten. Darum kann man in Wahrheit sagen, dass alles, was der Teufel mit seinen Angriffen und Versuchungen, mit seinem ganzen Hölleneifer, seiner List und Macht beabsichtigt, darauf hinausläuft, uns aus dem guten Kindesverhältnis zu Gott, aus „der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat“, wegzuführen und unter die Knechtschaft und den Unglauben zu bringen. Nicht ohne Grund gebraucht der Apostel das Wort „gefangen werden“. Unter dem knechtischen Joch des Gesetzes sind wir zugleich auch Sklaven unter dem inneren Sündenwesen, ja unter dem Teufel und dem Tode.
Zu dieser Knechtschaft kann der Teufel weniger geübte Christen durch den bloßen Hinweis darauf bringen, dass sie noch Sünder sind und dass Gott die Sünde hasst und verdammt. Hier hat er zwei Wahrheiten, mit denen er uns von der rechten Wahrheit ablenkt. Obwohl wir in Wahrheit von neuem geboren sind und einen heiligen, willigen Geist haben, durch den wir neue Menschen geworden sind, so ist das Fleisch, das alte Herz doch mit dem ganzen Sündenverderben erfüllt, das der Fall Adams mit sich führte und das sich in unzähligen Richtungen regt: In Gedanken, Gefühlen, Begierden, Worten und Werken, in Trägheit zum Guten, Kälte gegen Gott und den Nächsten, Unlust zum Wort und zum Gebet, sündlichen Gemütsbewegungen usw. Nun steht das Wort Gottes da und verdammt dies alles, und ich kann mich doch nicht davon frei machen. Wie soll ich dann glauben können, dass ich mich in einer beständigen Gnade und Freundschaft bei Gott befinde?
Ganz besonders schwer wird die Versuchung zur Verzweiflung und zum Unglauben, wenn der Teufel mir Gottes eigene Worte vorhält, die mich zu verdammen scheinen. Erstlich enthält die Bibel eine Menge ernsterer Drohungen an die Sicheren, Gottlosen und Heuchler. Da die Welt damit überfüllt ist, muss sie ja viel für sie enthalten. Eine geistlich arme Seele aber, die vom Geist gezüchtigt wird, fühlt alles Böse bei sich und sagt: „Ja, gerade ich bin sicher, gottlos, heuchlerisch usw.“, denn das alles liegt in dem alten Herzen. Dies wendet der Teufel an, um dadurch unseren Glauben zunichtezumachen.
Da nun jeder Christ die Gebote als Richtschnur schätzt und unausgesetzt von ihnen gestraft wird, wie soll er dann doch glauben können, dass er in einer beständigen Gnade und Freundschaft bei Gott steht? Wir sollen ja den Willen Gottes nicht nur wissen, wir sollen ihn auch erfüllen. Bei allem aber, was die Gnade in mir wirkt, kann ich doch nicht finden, dass ich die Gebote Gottes erfülle. Da trifft dann das Urteil des Gesetzes gleich das Gewissen. — Welche Gnade und Weisheit sind hier erforderlich, welch ein Wunder Gottes, welch eine mächtige Gotteshilfe, wenn man hier fest im Glauben an die Gnade Gottes bleiben soll!
Hier ist nun von größter Wichtigkeit, gründlich zu betrachten, was der Gnadenbund Gottes enthält: Alle diese Urteile und Drohungen sollen nur diejenigen treffen, die außer Christus sind, — nur die Sünde und den äußeren Menschen. Sie betreffen aber nicht den Gnadenstand, solange ich in Christus bin. Gott will mit Seinem Gesetz zwar das strafen und berichtigen, was in meinem Leben verkehrt ist, ja, auch mit äußeren Strafen und Plagen meine Sünden verfolgen und töten. Zu gleicher Zeit befinde ich mich aber in einer ewigen Gnade. Er zürnt nur meinem Feinde, der Sünde, die auch ich dem Geiste nach hasse. Mir aber, der ich in Christus vollkommen frei bin von allem Zorn, von allen Urteilen und Drohungen des Gesetzes, der ich eine beständige Vergebung habe und schon im Himmel als Sein Kind und Erbe eingeschrieben bin, — mir zürnt Er nicht. Wie notwendig ist es doch, diesen Unterschied gründlich zu bedenken und die Gewissheit der ewigen Gnade durch Christus zu behalten. Dies ist wahre Freiheit vom Gesetz.
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Diese Tagesandacht stammt aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius. Die Andachten des gesamten Jahres sind in Buchform hier erhältlich.


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